Schießt die EZB über das Ziel hinaus?
Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar
Erst kürzlich beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) unter der Leitung von Christine Lagarde den Leitzins um weiter 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent anzuheben. Der höchste Wert Zeit über zehn Jahren. Doch ist dies angesichts einer sich weiter abschwächenden Inflation notwendig? Gerade unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass Leitzinsveränderungen erst nach einer gewissen Zeit ihren vollen Effekt entfalten und damit ein wesentlicher Teil der Zinserhöhungen noch gar nicht in der Wirtschaft angekommen ist. Erfahren Sie in der heutigen Zinskommentar mehr über den sog. Transmissionsmechanismus im Kontext der aktuellen geldpolitischen Entwicklung in der Eurozone.
Die Steuerung der Preisentwicklung geschieht nicht von heute auf morgen, sondern folgt einer komplexen Ursache-Wirkungs-Kette, die im Allgemeinen als sog. Transmissionsmechanismus beschrieben wird (Vgl. Abbildung 1). Dieser beginnt mit der Festlegung der Leitzinsen durch die EZB, welche ein Monopol auf die Herausgabe des Euros und damit den Preis des Geldes innehält. Der festgelegte Leitzins beeinflusst dann unmittelbar die Inflationserwartungen und Geldmarktzinsen, die wiederum über eine Reihe von anderen Kanälen die Preisentwicklung steuern (Vgl. Abbildung 1). Grundsätzlich wirkt sich ein hoher Leitzins negativ auf die Inflationsentwicklung aus und umgekehrt.
Abbildung 1: Transmissionsmechanismus und -kanäle
Quelle: EZB (2023)
Der Transmissionsmechanismus ist von einer langen, unsicheren und variierenden Zeitverzögerung geprägt, womit eine genaue Vorhersage über den Umfang und Eintritt des Effektes auf die Preisentwicklung nahezu unmöglich ist. Schätzungen gehen davon aus, dass es ca. 12 bis 24 Monate braucht, bis sich eine Leitzinsveränderung in einer Volkswirtschaft vollkommen entfaltet.
Daten aus der Eurozone legen nahe, dass es fast 2 Jahre benötigt, bis der volle Effekt einer Zinsveränderung auf die Preisentwicklung sichtbar wird. So korreliert die Inflation stark mit dem jährlichen Geldmengenwachstum von vor 21 Monaten (Vgl. Abbildung 1). Demnach ist bisher nur ein Bruchteil der Zinserhöhungen durch die EZB in der Wirtschaft angekommen. Folgt man dem Verlauf der Geldmenge könnte das Inflationsziel bereits Ende nächsten Jahres erreicht sein. Doch wie steht die EZB zu dem Ganzen?
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen zeitversetzter Geldmenge (21 Monate) und Inflation
Quelle: Eurostat (2023); EZB (2023); eigene Darstellung und Berechnung
Angesprochen auf die Zeitverzögerungen der Leitzinserhöhungen ließ Christine Lagarde lediglich verlauten, dass es genüge zu sagen, dass es genüge zu sagen, dass die Wirkung schon wahrgenommen würde. Das ist richtig, aber eben nur ein Teil. Die EZB könnte im Kampf gegen die Inflation Gefahr laufen über das Ziel hinauszuschießen. Folgt man den Daten aus Abbildung 2 könnte dies schon der Fall sein, dass Geldmengenwachstum bereits ins Negative abgerutscht ist und damit die zukünftige Inflation. Wie bereits oft in dem Rahmen des Zinskommentars beschrieben, besteht damit das Risiko, dass die EZB die Zinsen so schnell senken muss, wie sie angehoben hat. Das entspricht nicht dem Vertrauen, der Stabilität und der Sicherheit die Europa derzeit benötigt.
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